Zitate aus der Rede Konrad Zuses anlässlich seiner Ehrenpromotion 1990

Das ist typisch für den Beginn einer Idee, das die Idee zunächst nur ein bestimmtes Ziel hat und dann im Laufe der Entwicklung zeigt sich noch das und das und das. Und das kann nicht so ohne weitere vorausgesehen werden.

[...] und ich kam zu der Erkenntnis, daß ein kleiner Draht - ich habe das Programmwerk, ich habe das Rechenwerk, das Speicherwerk, Ein- und Ausgabe dazu - und daß also ein kleiner Draht herübergeht vom Rechenwerk zum Programmwerk, dass der die Welt des Rechnens verändern kann.

[Ihr wisst] überhaupt nicht, was da wirklich passiert. Das weiß ja keiner von den Programmierern mehr. Aber damals wußte man’s noch, man konnte an dem Rattern noch das erkennen, daß die Maschine noch arbeitete und so war also auf die Weise doch in der Nacht auch in Zürich etwas los.

Man weiss ja, dass Edison der bekannte Erfinder gesagt hat, daß zu 99 % ist es also Arbeit und zu 1 % ist schöpferische Tätigkeit. So gilt es auch für die gesamte Entwicklung.

Man fragt heute gerne nach der Verantwortung des Wissenschaftlers. Wenn es damals ein Kommittee gegeben hätte, was darüber zu urteilen hätte, kann man es verantworten, diese Entwicklung weiter zu verfolgen. Dann wäre das folgendermaßen verlaufen: Der Antrag wäre gestellt worden und wäre gar nicht erst zur Diskussion gekommen. Wenn man gesagt hätte "Rechenmaschine? Was wollen die Fritzen denn, das ist doch ganz lächerlich [...] Man hatte alle möglichen Sachen schon durchaus auch zum Teil richtig vorausgesagt. An den Computer hat kein Mensch gedacht. Das ist typisch für den Beginn einer Idee, das wir die Idee zunächst nur ein bestimmtes Ziel hat und dann im Laufe der Entwicklung zeigt sich noch das und das und das. Und das kann nicht so ohne weitere vorausgesehen werden.

Nun möchte ich Ihnen folgendes Problem vorlegen, wir sprechen heute von der Verantwortung des Wissenschaftlers. Sie haben jeden Ingenieur, der an einem Problem mitgearbeitet hat, was dann später irgendwie auch Nebeneffekte hatte, meistens militärischer Art oder ähnlicher Art, die dann nicht immer erwünscht sind. Es stellt sich also die Situation vor, ich wußte ja in den 30er Jahren, Anfang der 50er Jahre sehr genau, daß ich ein sehr heißes Eisen angefasst hatte. Und daß die Maschinen, die ich damals in Auftrag hatte, die ich baute, noch harmlos waren. Und wenn ich ein paar kleine Eingriffe mache, daß dann der Teufel dahintersteckt. Das war durchaus zu überblicken und was soll jetzt ein Ingenieur, der an diesem Punkt gekommen ist, tun? Sie sagen, wir müssen Verantwortung tragen, völlig richtig. Und ich kenne auch keinen meiner Kollegen, die aus Informatik oder sonst Ingenieure sind, die ich nicht als irgendwie verantwortungsvolle und bewußte Menschen erkenne, die also das auch sehr ernst nehmen. und ich war also in den Jahren bis 1945 ja mit diesem Gelernten fast völlig alleine. Ich konnte mich kaum mit jemandem darüber unterhalten und die Maschinen, die wir damals im Bau und im Auftrag hatten, brauchten diesen Draht nicht. Da kann ich sagen, gut, ich bin also der Entscheidung ausgewichen. Ich hatte es gut, ich konnte sagen, ja bitte ich weiß zwar, daß der Teufel dahintersteckt, aber ich lege diesen Draht nicht. Das ist also das Schicksal, was der Ingenieur hat und ich habe volles Verständnis dafür, daß gerade die Jugend sehr ernsthaft sich darüber Gedanken macht, wie hat sich eigentlich unsere Technik entwickelt. Wir erleben gerade jetzt diese Fragen in sehr tragischer Weise, daß die Computer, die zunächst jedenfalls hier bei uns in Deutschland für reinste Gliederaufgaben tätig waren, daß die jetzt dazu beitragen können, Menschenleben zu töten und zu fordern. Die Kritik ist durchaus berechtigt. Nur jetzt die Frage, wie weit muss ich gehen, was darf ich tun, was darf ich nicht. Ich halte sie für nicht lösbar. Wenn man also beispielsweise in der ganz strengen Form vorgehen würde, auf keinen Fall eine Erfindung machen, die nicht militärisch eingesetzt werden kann, dann können Sie Ihre ganze Technische Hochschule und Universität zumachen, dann dürfen Sie überhaupt nichts mehr machen; denn es ist ganz unmöglich, daß auf einem Gebiet, sei es nur Motorenbau und so fort, selbstverständlich kann jeder Motor, den Sie verbessern, auch militärisch eingesetzt werden. Diesem Schicksal sind wir ausgeliefert. Bei uns begann die Entwicklung des Computers zunächst auf rein privater Basis für zivile Aufgaben, nur während der Kriegszeit war es nicht anders möglich, als gewisse Dinge unter der Überschrift Kriegsauftrag durchzuführen, nach dem Kriege sofort wieder voll auf zivile Produktion umgestellt trotzdem müssen wir dieser Tatsache in die Augen sehen, daß jedes Ding, jede Erfindung die man anfasst, daß es irgendwie gefährlich werden kann. Nur derjenige, der das rechtzeitig erkennt und sagt, bis hierher und nicht weiter, der Dusselige - den hört man überhaupt nicht -. Das Schicksal geht darüber hinweg. Diesem Schicksal sind wir alle ausgeliefert, Die Tatsache, daß selbst bei den heutigen Computern, die Milliarden von Operationen durchführen, ein Mensch - wie Kasparow - dem immer noch widerstehen kann, weiß, daß etwas nicht in Ordnung ist. Die Leute von der Künstliche Intelligenz haben irgendwie geschlafen oder noch nicht den richtigen Dreh gefunden, sonst müßte das bei der ungeheuren Zahl möglich sein. ich werde ja auch von Journalisten gefragt, wie stellen Sie sich die Zukunft des Computers vor, werden Computer einmal mehr denken können als der Mensch? Auch darauf könnte man eine schnoddrige Antwort geben und sagen: Hoffentlich! Denn es ist nicht so, daß der Mensch nun unbedingt der beste Denker ist. Wir wollen uns nicht zuviel einbilden auf unsere Fähigkeit, zu denken. Wir brauchen bloß vom dem Bericht zu hören, von einer Autobahn, wo mal wieder 200 Wagen im Nebel aufeinandergefahren sind. Ein wirklich guter Fahrer muß wissen, daß man im Nebel abzubremsen hat, aber die meisten tun es nicht. Das heißt, der Mensch ist unfähig, Auto zu fahren, dazu reicht sein Denkvermögen nicht. Darüber wollen wir uns alle im Klaren sein. Die Technik wird mit Recht sehr viel kritisiert. Es gibt nirgendwo ein gutes System, ein ...? System, wo man wirklich sagen kann, es funktioniert - jedes hat seine Mängel und irgendwas funktioniert dann immer nicht. Es wäre ganz unmöglich, nach dem heutigen Stande der Technik, stehen zu bleiben, sondern wir müssen ganz einfach durch. Wir haben gewissermaßen, Mephisto mit herangeholt, Wir müssen also so gut programmieren, daß die zukünftige Welt funktioniert. Wir müssen also zu System kommen, die besser funktionieren. Das wir unsere Aufgabe sein und wir Europäer, ich sage ausdrücklich Europäer, werden große Aufgaben haben. Denn hier in Europa sind diese Gedanken, der ....? Technik entstanden und hier müssen sie gelöst werden. Wir Deutsche sind auch Europäer, wir müssen also dazu beitragen und wir dürfen nicht einfach die Technik verteufeln, sondern wir müssen wissen, es liegt eine sehr harte Arbeit vor uns. Gerade die Informatiker, die müssen wissen, daß Verantwortung auf ihren Schultern liegt, wie Verantwortung getragen werden muß Es liegt aber nicht bloß an den Informatikern, sondern auch an den Benutzern. Der Benutzer ist ebenso mitverantwortlich und wir sind alle damit verantwortlich. Den jungen Studenten der hiesigen Universität, die also hier Informatik studieren, möchte ich ans Herz legen: Auf Ihnen liegt Verantwortung und bilden Sie sich nicht ein, daß Ihnen die Verantwortung abgenommen werden kann, und sehen Sie die Arbeit, die auf Sie zukommt, sehr hart und sehr gewissenhaft.